Oldtimer & Reisen

Unser Road Trip durch die Ukraine im Oldtimer! - Autofahren in der Ukraine extrem ;)

Die erste Frage wenn wir von unseren Urlaubsplänen in die Ukraine berichten, lautet in etwa immer so: “Aber ihr fliegt doch, oder?!” Darauf antworten wir standesgemäß mit “Nein.” und verweisen auf unseren wundervollen und endlich ausgebauten T3. “Und die Kinder?!”, kommt dann in etwa immer die zweite Frage ungläubig nachgeschoben. “Die verfüttern wir unterwegs an Straßenhunde. Kinder sind grundsätzlich ungeeignet für Autofahrten und stören nur.”, möchte ich dann gerne antworten.
Ich verstehe die Frage nicht. In der Ukraine gibt es Straßen. Die Menschen dort fahren auch viel Auto und unsere Kinder lieben “Bulli faaaaahn!”. Gut, natürlich ist es eine lange Strecke. Und die Befürchtungen hinsichtlich der Straßenbedingungen verstehe ich auch. 

Pfützen Ukraine

Beim Autofahren in der Ukraine gibt es keine Langeweile während der Autofahrt!

Gegen Langeweile während der Fahrt sind wir recht gut gerüstet. Mehrere Kisten mit Büchern, Stiften, Spielzeug, welches wir Wochen vorher versteckt haben, so dass es einen besonderen Reiz hat wiederentdeckt zu werden. Außerdem machen wir oft Pause und große Strecken legen wir, uns abwechselnd nachts zurück, wenn die Brut schläft. 
Tatsächlich sind die ukrainischen Straßen laut meinem Falken der weit über 50 Fahrten mit diversen PKWs in die Ukraine hinter sich hat, wesentlich besser geworden. Hier muss ich persönlich eine Lanze für Präsident Selenskyi brechen, allein seit er an der Macht ist, schießen wirklich gut fahrbare Straßen überall in der Ukraine aus dem Boden. Nicht nur in seinem näheren Wohnumfeld, so wie es bei vorigen Machthabern oft der Fall war. Trotzdem gibt es noch zahlreiche Straßen in deren Schlaglöchern ganze Pferdegespanne verschwinden können. Auch wenn es keine Schlaglöcher gibt muss man trotzdem aufpassen, weil einem solche auch als Gegenverkehr jederzeit begegnen können.

Straßen Ukraine Pferde

Gerade nachts ist es abenteuerlich, wenn man weit und breit das einzige Fahrzeug ist und der einsam auf und ab hüpfende Lichtkegel auf 50 km schreit “Brüder, wo seid ihr?”. Man muss tatsächlich die ganze Zeit sehr, sehr wachsam sein. Nicht nur wegen der Straßenqualität, fehlender Fahrbahnmarkierung und einem grundsätzlichen, anarchistischen Verzicht auf theoretisch gesetzlich vorgeschriebene Tempolimits oder Verkehrsschilder. Ich hege auch den begründeten Verdacht, dass zumindest in Kiew ein  Großteil der LKW und Taxi Fahrer ihren Job auf Amphetaminen verrichten. In einem Verkehrschaos, wo es grundsätzlich kein Problem ist, aus 3 vorgesehenen Spuren 5 zu machen und wo sich Schrottkisten, die nur noch auf Tüddeldraht zusammenhalten neben den neusten Bentleys und anderen Edelkarossen, die ich in Deutschland noch nie gesehen habe aneinanderreihen, wünsche ich mir manchmal auch die Extra-Portion Aufmerksamkeit. In Kiew genieße ich es tatsächlich wenn mein Falke fährt. Zum einen wegen des unfassbaren Verkehrsaufkommen in der Stadt die tatsächlich nie (!) schläft, zum anderen wegen der kuriosen Dinge die ich beobachten kann. Es ist tatsächlich völlig ok zu hupen und zu drängeln. Spätestens wenn dein Auto teuer ist oder du ein auffälliges Kennzeichen hast (hinter ukrainischen Kennzeichen steckt eine besondere Philosophie, wenn du ein tolles Kennzeichen hast z.B. 3333 oder 1 oder eine Buchstabenkombination die irgendwie Sinn macht) kannst du dir fast alles erlauben. Wenn die Grenze überschritten ist, kann es jedoch auch sein, dass du mitten auf einer Kreuzung aus dem Auto gezogen wirst und eine aufs Maul kriegst. Dann wissen aber auch alle, dass du es mutmaßlich verdient hast und der Verkehr geht unaufgeregt weiter. Alles schon gesehen. Ich habe leider noch keine Statistik dazu erstellen können aber ich bin fasziniert von der schieren Anzahl Bentley fahrender Ladies, die ihren Bentley in der 4. Spur (die sie selbst eröffnet haben) einreihen, während sie in der einen Hand in ihr neuestes Iphone sprechen und mit der anderen Hand ihre aufgespritzten Lippen nachziehen, während sie es schaffen mit mir Augenkontakt aufzunehmen. Vermutlich bin ich für sie ein ähnliches Kuriosum, da ich wie ein staunendes Alien im Busfenster hocke, Mund offen, ungeniert gaffend und immerwährend meinen Falken mit Fragen löchernd, während ich mich gerade noch zurückhalten kann nicht alles auf Kamera aufzunehmen :)

Feldweg Ukraine

Kurz vor Moldawien hat uns das Navi auch schonmal etwas als Straße verkauft, was in Deutschland als Feldweg zum landwirtschaftlichen Privatbesitz gezählt hätte. Außerhalb der Hauptstadt lässt jedoch zumindest der Amphetamin Konsum und auch die Aggressivität der Autofahrer etwas nach. Die Ukrainer empfinden ihre Fahrweise jedoch nicht als aggressiv oder rücksichtslos. Ich denke es ist mehr so ein darwinistisch-orthodoxes Survival of the fittest. Das heißt jedoch absolut nicht, dass man dir nicht hilft wenn du verkackt hast. Das heißt nur, dass du dir zuerst selbst helfen musst :)

Ein schönes Beispiel dazu ist, wie wir vom “Voltzwagen T3 Ownership Meeting”  (es heißt in der Ukraine wirklich “Voltzwagen” ;) in Odessa kamen. 

Unsere Autopanne in der Ukraine- Gibt es in der Ukraine einen ADAC?

Wir haben noch eine trampende Familie mitgenommen, da auf dem Land praktisch kein öffentlicher Verkehr existiert und wir das einzige Auto weit und breit waren. Sie schafften noch uns zu berichten, dass sie in das nächste Krankenhaus wollten, ihre Großmutter versorgen, als unser linkes Vorderrad abging. Zum Glück waren wir gerade erst losgefahren und hatten noch kein nennenswertes Tempo aufgenommen. Durch das zusätzliche Gewicht der drei neuen Passagiere war wohl der seidene Faden gerissen, an dem sich das Rad vorher noch gefunden hatte. 

Bus Reifenpanne in der Ukraine

Was tun bei einer Autopanne in der Ukraine?

Ich merkte wie mein deutsches Gehirn anfing strategische Überlegungen anzustellen:
  1. Alle kriegen Warnwesten angezogen. Wieso haben wir keine Reservewesten für Tramper an Bord?
  2. Warndreiecke in ausreichender Entfernung zur Unfallstelle aufstellen.
  3. Fremde Familie muss sich neue Mitfahrgelegenheit suchen
  4. ADAC anrufen, warten.

Halt! Bei Punkt 4 verdreht mein Falke die Augen. “Wie viele Tage willst du auf die warten?” Er schreibt in den “Voltzwagen Ukraine” Gruppenchat bei Telegramm, in den wir nach erfolgreichem “Ownership Meeting” und etlichen Trinkgelagen herzlich aufgenommen worden sind. Wir werden aufgefordert ein Foto zu liefern. Wir liefern. Nun überschlagen sich die Kommentare. Alle wollen den “Nemtzi” den Deutschen zuerst helfen. Wir sind für sie wie unwissende Kinder. 

Wir haben scheinbar die häufigste T 3 Panne der Ukraine. Diagnose: Rad ab durch Schlaglöcher! Durch das unfassbare Ruckeln, Huckeln, Juckeln und Schaukeln lösen sich schlichtweg die Schrauben und wenn man zu blöd ist das zu wissen, so wie wir Deutschen und regelmäßig nachzuziehen, ja dann geht halt mal in voller Fahrt ein Rad ab. 

Während sich der Gruppenchat in wirklich feinem Humor über Deutsche und ukrainische Straßen verliert, kniet mein Falke schon im Straßenstaub, bockt den Bulli hoch, ich bespaße die Küken und winke der fremden Familie, die sich in einem der wenigen vorbeifahrenden Fahrzeuge wortwörtlich aus dem Staub macht. Nieselregen setzt ein. Zärtlich durch die frotzelnde “Voltzwagen” Community und das stete Wasser von oben angespornt, schafft mein Falke es, jedem der übrigen drei Reifen eine Schraube zu entnehmen und damit den 4. Reifen ausreichend zu befestigen, so dass wir losfahren können, gerade als ein mächtiges Sommergewitter einsetzt. 

Ausgebremst, aber gottseidank ungebrochen, fahren wir rund 30 km durch das absolute nirgendwo Richtung Moldawien, als wir endlich eine kleine Werkstatt unweit von Nowodnistrowsk (Новодністровськ) entdecken. Wir brauchen Schrauben!! Und ein Gerät was diese so richtig fest zieht. 

Einladung zum Schaschlik bei Krimtartaren in Nowodnistrowsk, kurz vor der moldawischen Grenze!

Bei bestem Russenchanson aus dem Radio treffen wir einen mittelalten Herrn in einer Garage in Adiletten bei der Arbeit an. Er freut sich ungemein als er uns sieht, ruft seinen Sohn uns die Schrauben zu richten und fachsimpelt ausschweifend mit meinem Falken über Deutsche und deutsche Autos. Er liebt Kinder und verbietet daher den meinen kurzerhand den Bus zu verlassen, da irgendwo auf dem Gelände ein tollwütiger Wachhund sein Unwesen treibt. Als die Arbeit getan ist verbittet er sich jegliche Bezahlung. Weil Ehrensache und so. Wir nötigen den Sohn, wenigstens etwas Geld zu nehmen. Weil Ehrensache und so. Die Herzen mal wieder voll von Glück wegen der sympathischen Zufallsbegegnung, fahren wir die Straße rauf zu einer anderen Werkstatt, die uns der Gentleman empfohlen hat um ein wenig Motoröl zu erwerben. “Immer gut schmieren.”, hatte er gesagt. “Achtung wichtig.”, hatte er gesagt. Ich liebe Konversationen die auf zufälligen Filmzitaten beruhen. Meistens sind es Zitate irgendwo aus alten Nazifilmen und ich freue mich jedesmal wenn mehr kommt als “Gitler kaputt!”. Also folgen wir seinem Rat und landen auf dem sattgrünen Gelände eines Paares so um die 60.

Wir werden herzlich aufgenommen. Um das Öl werde man sich kümmern. Ob wir Schaschlik mögen? Natürlich mögen wir. Während das Schaschlik fachmännisch auf dem Grill brutzelt entdecken wir einen krass schönen Oldtimer. Wir bestaunen gegenseitig unsere hübschen Autos, als er mit einem verschwörerischen Ausdruck eine große Halle öffnet. Da steht ein weiteres super edles Teil, von ihm selbst voll restauriert. Er erzählt uns, wie er und seine Frau, beide ethnische Krimtataren, vor langer Zeit in diese Gegend kamen und er mitverantwortlich war, den Staudamm zur Elektrizitätsversorgung zu bauen, welchen wir vom Schaschlikgrill aus hinter dem Grundstücksende sehen können. Die Hydroelektrostation.

Oldtimer Ukraine an der Hydroelektrostation

Später stieß er zufällig auf die maroden Karossen der Oldtimer, restaurierte sie und sie konnten lange Zeit davon leben, dass er die Oldtimer im Sommer in Odessa für Touristen als Fotoobjekt zur Verfügung stellte. Ihre Tochter studiert mittlerweile in Europa und die beiden haben sich mit der Werkstatt und einer kleinen Gastwirtschaft mit großen Billardtischen “zur Ruhe” gesetzt. Rente auf ukrainisch eben. 

Wir genossen das beste Schaschlik was wir vermutlich jemals hatten und erfreuten uns an den interessanten Geschichten des herzlichen Paares, die unsere Küken auch noch in den Genuss brachten frisch geschlüpfte Hundewelpen zu streicheln.

Bei dem ganzen Tag, den wir mit der Panne und der Reparatur verbracht haben, verstehe ich die Eingangs erwähnte Frage, die ja darauf abzielt ob Fliegen nicht vielleicht zielführender, schneller und sicherer sei. Jedoch sind es diese Tage und Erlebnisse an die ich mich viele Jahre erinnere, während z.B. Chillen am Pool irgendwie keine Bedeutung für mich hat. Und hätten wir diese Panne dank der Magie der ukrainischen Straßen nicht gehabt, hätten wir diese tollen Menschen nicht kennen gelernt und meine Küken wüssten bis heute nicht, dass es in der Südukraine im moldawischen Grenzgebiet echte Seehunde gibt!

Weimaraner Jagdhund beim Baden in der Ukraine

 

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