Ukraine Krieg

Putins Landgrabbing in der Ukraine -Lebensmittelkrise und Hungersnöte

In meinem früheren Leben habe ich tatsächlich Agrarwissenschaften studiert. Ökologische Agrarwissenschaften um genau zu sein. Ich erinnere mich, dass vor rund 15 Jahren ein starker Diskurs um das sogenannte “Land-Grabbing” anfing. Einem Prozess, bei dem zunehmend reiche Länder bzw. Konzerne und stark im Wachstum befindliche Länder fruchtbare Regionen, ja ganze Landstriche in ärmeren Ländern aufkaufen oder für lange Zeiträume pachten, um so die Ernährungssituation der eigenen Bevölkerung zu sichern oder / und von steigenden Lebensmittelpreisen, vor allem in Krisenzeiten zu profitieren. 
Teil dieser Problematik waren immer schon Patente auf Saatgut, die Nutzung von gentechnisch veränderten Organismen, die Zulassung von bestimmten Pestiziden und Düngemitteln und die generelle Frage: Wem gehört eigentlich die Erde und wem das, was darauf wächst?

Symbolbild Planet Erde auf der Hand getragen

Was Putins Armee in der Ukraine betreibt, kann als Land-Grabbing im ganz großen Stil betrachtet werden. Unter dem Vorwand des “Entnazifizierungs”- Narrativs werden ganze Landstriche entvölkert und unbewohnbar gemacht. Die Absicht ist mir angesichts des Ausmaßes der Zerstörung unbegreiflich. Angriffe der russischen Armee zielen immer wieder auf die zivile Infrastruktur ab. Was hat Putin von leeren, unbewohnbaren Landstrichen? Russland erstreckt sich über solche Weiten, dass Putin es in Generationen nicht schaffen würde sein eigenes Land zu besiedeln wenn er es denn wollte. Wenn es um Land-Grabbing im Sinne der Ernährungssicherung der eigenen Bevölkerung und dem Profit aus steigenden Lebensmittelpreisen geht, warum zerstört er dann die Agrar-Infrastruktur, ja zielt sogar auf das genetische Saatgut Erbe der Ukraine ab (Angriff auf Saatgut Bank bei Charkiw)? Das Angebot, den Überfluss der Ukraine zerstören, damit die russischen Waren im Wert steigern? Krieg und Chaos in Ländern schaffen, die von ukrainischen Exporten stark abhängig sind und Russland mit seinen Exporten als Retter in der Not präsentieren? Schon jetzt sind die Gedanken an verhungernde Kindern und deren ebenfalls hungrige aber absolut machtlosen Eltern z.B. im stark betroffenen Jemen unerträglich. Unvorstellbar, dass dies erst der Anfang einer globalen Ernährungskrise ist. Putin und seine Schergen klauen jetzt schon tonnenweise ukrainisches Getreide und schleusen es unter Verschleierung der Herkunft zu Wucherpreisen auf dem Weltmarkt ein - Sarkasmus pur! Ukrainisches Getreide finanziert das Bombardement ukrainischer Städte! - Wir in Deutschland werden in absehbarer Zeit “nur” unter stark gestiegenen Preisen leiden. Grundsätzlich ist Deutschland durch die eigene landwirtschaftliche Produktion weitestgehend souverän, aber Experten schätzen bereits jetzt, dass weltweit rund 100 Millionen Menschen zusätzlich hungern werden!  Ein großer Teil dieser Menschen wird sich aus reiner Existenznot auf die Flucht begeben müssen um zu überleben. Wenn der Krieg in der Ukraine nicht zügigst gestoppt wird, erleben wir gerade erst die Spitze des Eisbergs!

Weizenfeld Ukraine

Die Ukraine verfügte zumindest vor dem Krieg über rund 41 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche (Acker- und Grünland), davon rund 32 Millionen Hektar Ackerland. Wegen des günstigen Klimas und der fruchtbaren und mächtigen Schwarzerde Vorkommen wurde die Ukraine in der Vergangenheit bereits die “Kornkammer der Sowjetunion” bzw. “Kornkammer Europas” genannt. Sie ist unter den 5 größten Weizenexporteuren (EU, Russland, Australien, Ukraine, USA) weltweit angesiedelt. Zahlreiche Länder sind auf den Import ausländischen Weizens angewiesen, Hauptabnehmer sind Länder wie Ägypten und Indonesien. Der hohe Nährwert bei gleichzeitig hervorragenden Lagereigenschaften und vielseitigen Zubereitungsmöglichkeiten macht Weizen unentbehrlich in der weltweiten Ernährungssicherung. 

Ölsaaten wie Raps und Sonnenblumen Knappheit durch Ukrainekrieg

Im Bereich der Ölsaaten wie Raps und vor allem Sonnenblumen ist die Ukraine Weltmarktführer, was sich tatsächlich allmählich auch in den hiesigen Supermärkten bemerkbar macht. War Sonnenblumenöl vor dem Krieg ein Artikel, der im Discounter preiswert für unter 1 € / Liter erworben werden konnte, so wurde mir letztens in demselben Discounter 750 ml Sonnenblumenöl für 4,99 € angeboten.  Ich kann auf andere Rezepte ausweichen, im Notfall auch auf Annehmlichkeiten verzichten, um mehr Geld für Lebensmittel zur Verfügung zu haben -  Millionen Menschen weltweit haben dieses Privileg nicht. 
Vor dem russischen Angriff arbeiteten rund ein Viertel der ukrainischen Bevölkerung in der Landwirtschaft auf schätzungsweise 90.000 landwirtschaftlichen Betrieben. Davon sind fast die Hälfte Pachtbetriebe mit durchschnittlich 1200 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche und rund 40% Subsistenz-Betriebe unter 1 Hektar Größe, die statistisch schwierig zu erfassen sind. Der Rest verteilt sich auf Groß-, Mittlere- und Kleinbetriebe. Alle diese Betriebe eint nun die Angst. 

Treibstoff zum Betrieb der landwirtschaftlichen Maschinen ist knapp oder überhaupt nicht mehr verfügbar, viele Mitarbeiter sind geflohen oder arbeiten nun an der Verteidigung der Ukraine, die Sorge ist groß die Tiere nicht mehr versorgen zu können. Wo nicht gesät und geerntet wird fehlt Geld für Saatgut, Dünger, Pestizide und Lohnzahlungen. Es gibt bislang noch keine Auskünfte und Kartierungen über den Niedergang von Blindgängern aus Artillerie, Raketen und Landminen, welche die Arbeit und das Leben von Mensch und Tier über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gefährden werden. Millionen Tieren steht die Notschlachtung bzw. in Ermangelung an Schlachthof Kapazitäten und Personal, der langsame Hungertod bevor. Es ist eine Abwärtsspirale biblischen Ausmaßes und so sehr ich nachdenke, ich kann keinen Sinn darin finden.

Errosion - unfruchtbarer Boden

Hinzu kommt, dass nun angesichts der Ernährungskrise wieder alte Forderungen aus dem Agrarlobby Bereich laut werden: Trotz aller Risiken soll wieder auf gentechnisch veränderte Organismen gesetzt werden, nicht zugelassene oder bereits verbotene Pestizide sollen die Ernten vor Schädlingen retten, der Anteil des Ökolandbaus soll verringert werden, da er angeblich weniger Erträge abwirft! Alles Diskussionen, die angesichts der unabschätzbaren Risiken und Umweltfolgen wie schnellere Erderwärmung, Auskreuzung der GMOs, mögliche und nachgewiesene Gesundheitsrisiken, Verlust der Biodiversität und Bienensterben, Verschlechterung der Bodenqualität im konventionellen Landbau, meiner Ansicht nach tabu sind! Das einzige, was uns langfristig als Menschheit das Überleben sichern kann, ist der menschliche Zusammenhalt, Solidarität über Landesgrenzen hinweg und Landwirtschaft im Einklang mit der Natur, im Sinne einer Kreislaufwirtschaft, die ohne chemischen Dünger und über weite Strecken transportierter Futtermittel auskommt. Dafür müssten wir alle unsere Ernährungsgewohnheiten überdenken, aber ich bin der Meinung, dass es sich lohnt und dass genau das ein Stückchen gelebte Solidarität wäre. Mit den Menschen der Ukraine, dem Jemen, den zukünftigen Generationen und ein ganz großer Stinkefinger in Putins Richtung. 
 

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