Russisch lernen mit Filmen!
Warum solltest du uralte sowjetische Komödien zum Russisch lernen schauen?
Sowjetischer Humor & Regimekritik
Alte Filme
Diese Komödien haben nicht nur durch ihr mittlerweile recht stattliches Alter ein großes Publikum erreicht, sondern auch, dass sie in der ganzen Sowjetunion ausgestrahlt wurden. Meiner Ansicht nach wirklich kunstvolle Zeitzeugen eines Landes! In der Sowjetunion wurde die Kunst sehr hoch gewertet und es war selbstverständlich eine hohe Ehre und großer Verdienst, hervorragende Filme für das Sowjetvolk zu produzieren. Es wurde viel staatlich gefördert, jedoch war auch der Anspruch auf Einhaltung der politischen Linie und moralischen Standards der Sowjetunion sehr hoch. Herausgebracht hat es höchst unterhaltsame, bildgewaltige und zitierwürdige Filme, die zuweilen tief in den Zeitgeist der Sowjetunion blicken lassen. Ich muss mir immer wieder klar machen, dass alle Ukrainer, Russen, Kasachen, Aserbaidschaner (...) die vor 1991 geboren sind, ja Kinder der Sowjetunion waren. Einem Land, dass es einfach nicht mehr gibt, das jedoch die Kindheit, Jugend und je nach Alter das ganze Leben dieser Menschen maßgeblich beeinflusst hat! Leonid Gaidai hat die populärsten Komödien der Sowjetunion der späten 60er bis 80er Jahre verfilmt und war auch Drehbuchautor. Er hatte ein ausgezeichnetes Gefühl für schnelle Szenenwechsel, überraschende Kameraeinstellungen, geistreiche Dialoge und immer die besten Schauspieler an seiner Seite. Nachdem ich einige seiner Filme geschaut habe, empfinde ich zu den Charakteren und Schauspielern eine regelrechte Verbindung.
Die besten Komödien
Meine Zusammenstellung könnt ihr jetzt sofort bequem auf dem Sofa gucken, da ich bewusst nur Filme gewählt habe, die zum Zeitpunkt des Blogposts kostenfrei, legal und mit Untertiteln (manchmal nur englisch oder automatisch deutsche Untertitel von fragwürdiger Qualität) bei YouTube verfügbar sind. Hier empfehle ich den Kanal “Mosfilm”, der neben den vollständigen Filmen, auch die in den Filmen gesungenen Lieder als einzelne Clips zur Verfügung stellt, welche sich super zum Lernen eignen und auch einfach sehnsuchtsvoll und schön sind. Dazu gibt es hier in Kürze auch einen Beitrag!
Iwan Wassiljewitsch wechselt den Beruf
Иван Васильевич меняет профессию” (Produktion: Mosfilm)
Das Skript der Verwechslungskomödie ist stark an die Originalfassung von Michail Bulgakow (*1891, Kiew, Ukraine -1940, Sowjetunion) angelehnt, die in den 1930er Jahren spielt. Der Film spielte jedoch in der damaligen Zeit, also den 1970er Jahren der Sowjetunion und ich behaupte jeder der ein paar Jahre in der Sowjetunion gelebt hat kennt ihn! Der Film wurde der meistgesehene Film des Jahres 1973 in der Sowjetunion und wurde einer der erfolgreichsten sowjetischen Filme überhaupt!
Dies ermöglichte dem Film-Team rund um den Regisseur Leonid Gaidai einige versteckte und zarte Kritik am System unter zu bringen und uns aus heutiger Sicht einen Einblick in den sowjetischen Alltag zu ermöglichen. Dabei ist der ganze Film voller Witz, Tempo, hochwertiger Kostüme und den besten und bekanntesten Schauspielern der Sowjetunion.
Der zerstreute Ingenieur Schurik Timofejew arbeitet in seiner Wohnung in Moskau im Jahr 1973 an einer Zeitmaschine. Seine Frau, eine Schauspielerin, findet seine Experimente lästig und fängt eine Romanze mit ihrem Regisseur an. Der als aufdringlich kontrollierend und systemtreu dargestellte Hausverwalter Iwan Wassiljewitsch Bunscha mischt sich in ihr Privatleben und versucht Schurik davon abzuhalten sich zu trennen, weil es dem Ruf des Hauses Schaden würde. In der Nachbarwohnung befindet sich zu dem Zeitpunkt ein von der Miliz gesuchter Einbrecher, Schorsch Miloslawski. Der Ingenieur schafft es noch während Iwan Wassiljewitsch auf ihn einredet die Zeitmaschine zum laufen zu bringen und schließlich landen der Einbrecher und der Hausverwalter zusammen im Zarenreich des Zars Iwan dem Schrecklichen (1573). Diesem sieht der Hausverwalter Iwan Wassiljewitsch zum verwechseln ähnlich. Der Zar wird durch die Zeitmaschine jedoch wiederum in die Wohnung des Ingenieur Schuriks in die “Gegenwart” geholt. Während die kaputte Zeitmaschine repariert werden muss ergeben sich lustige Verwechslungen, Verfolgungsjagden und absurde Szenen. Ein Genuss den ich jedem nur wärmstens empfehlen kann!
Lieblingszitat: Das betrunken heraus gebellte Komando: ”Dansfsujut wsech!” (Tanzt alle!) des Hausverwalters Iwan Wassiljewitsch Bunscha mit dem er den ganzen Hofstaat zum Tanzen bringt.
Der Brillantenarm
Бриллиантовая рука (Produktion: Mosfilm)
Wieder eine Verwechslungskomödie des genialen Regisseurs Leonid Gaidai aus dem Jahr 1969, der bei Brilliantenarm sogar das Drehbuch in entfernter Anlehnung an eine wahre Begebenheit geschrieben hat. Die beiden Protagonisten sind absolute Gegensätze: Der treue, ehrliche und naive Sowjetbürger und Familienvater Semjon Gorbunkow, dem eine Kreuzfahrt für seine Verdienste zu Teil wird, findet sich auf dem Schiff in einer Doppelkabine mit dem charmanten aber vom Pech verfolgten Gauner Gennadi Kosodojew wieder.
Dieser muss in den Orient fahren, um für sein Syndikat rund um den Boss Ljolik kostbare Juwelen in die Sowjetunion zu schmuggeln. Als Versteck soll ein falscher Gipsarm dienen. Durch einer Verwechslung während des Landgangs erhält stattdessen Semjon Gorbunkow den Gips mit den Juwelen, als er nach einem Sturz in Ohnmacht fällt. Er bekommt noch halb benommen mit, wie die Verbrecher die Juwelen in seinem Verband verstecken, stellt sich weiter schlafend und benachrichtigt ehrlicherweise den Kapitän über diesen Zwischenfall.
Daraufhin setzt sich zurück in der Heimat die lokale Polizei mit Semjon Gorbunkow in Verbindung, die ihn als Köder benutzen wollen, um dem Syndikat ein für alle mal das Handwerk zu legen. Es beginnt ein Katz- und Mausspiel mit dem Syndikat, welches die Juwelen schnellstmöglich durch die vorgetäuschte Freundschaft mit Gennadi Kosodojew, vom scheinbar unwissenden Semjon Gorbunkow zurückholen wollen. Dessen unfreiwilliger Agentenstatus bringt ihn gegenüber seiner Familie und der stets wachsamen Hausverwaltung in Erklärungsnot. Die aufdringliche Hausverwalterin, gespielt von der Schauspielerin Nonna Mordjukowa dringt nicht nur ungebeten in die Privatsphäre der Familie Gorbunkow ein, sondern nötigt den armen Semjon auch noch einen Vortrag über seine Reise zu halten, ohne sich jedoch nennenswert für ihn oder seine Erlebnisse zu interessieren. Ihr geht es nur um das Ansehen des Hauses. Dies wird vor allem deutlich in der abfälligen Aussage “Unsere Leute fahren nicht mit dem Taxi zum Bäcker”, mit der sie ihrem wachsenden Misstrauen gegenüber Semjon Ausdruck verleiht. Hatte doch damals ein durchschnittlicher Sowjetbürger nicht die Dekadenz und finanziellen Mitteln für solcherlei Extravaganzen. Die Hausverwalterin steht hier einmal mehr mit einem lachenden und einem weinenden Auge für die Überwachung und staatliche Regulierung die bereits im Wohnumfeld beginnt.
Sie vermutet kriminelle Aktivitäten seitens Semjon und hetzt die übrigen Nachbarn und seine Frau gegen ihn auf. Ein Höhepunkt der filmischen Handlung ergibt sich, als Semjon Gorbunkow durch das Syndikat unter Rauschmittel gesetzt und in eine Honigfalle gelockt wird. Die Hausverwalterin und die von ihr alarmierte Ehefrau des mutmaßlichen Ehebrechers platzen rein und erwischen Semjon scheinbar in flagranti mit der Schönheit, gespielt von Schauspielerin Svetlana Swetlitschnaja. Eine tragische Wendung nahm das berufliche Schicksal der Schauspielerin nach der Veröffentlichung des Films. Ihre damals absolut schockierende, “Beinahe”-Nacktheit ruinierte den Ruf der aufstrebenden jungen Schönheit und machte sie bei den Produzenten und den zensierenden Ministerien unmöglich.
Der Film nimmt viele verblüffende Wendungen, weist ein gutes Tempo und spannende Verfolgungsjagden auf und wie fast immer in sowjetischen Filmen der 70er ist die musikalische Untermalung grandios. Auch dieser Film ist einer der bekanntesten und beliebtesten aus der Sowjetunion.
Zitate: Wunderbar sind die in Fantasiesprache geäußerten und dennoch unmissverständlichen Werbungsversuche einer Prostituierten beim Landgang: “Zigge-zigge- Ei-Lulu?” Dieser Ausdruck ist mit ein bisschen Phantasie fast universell einsetzbar, ebenso wie das kopfschüttelnd und leicht vorwurfsvoll geäußerte “Semjon, Semjon”. Ein Wunder, dass die erstgenannte Szene von der prüden Zensur überhaupt genehmigt wurde. Vermutlich nur, weil der Ganove Gennadi die Situation erkennt und geistesgegenwärtig darauf hinweist das “sowjetische Touristen” über solcherlei Versuchungen erhaben sind.
Die kaukasische Gefangene oder Entführung im Kaukasus
“Кавказская пленница, или Новые приключения Шурика” (auch “Kidnapping Caucasian Style”, Kaukasischer Gefangener oder Shuriks neue Abenteuer genannt)
So uneinig man sich über die richtige Übersetzung des Filmtitels ist, so einig ist man sich über die Liebenswürdigkeit der Charaktere und der Großartigkeit dieser Komödie von 1967. Handlung und Titel des Films beziehen sich auf den traditionellen Brauch der Brautentführung im Nordkaukasus. Wieder mal ist der Regisseur der brillante Leonid Gaidai und einige verstehen diese Komödie als Fortsetzung der ebenfalls unglaublich populären Komödie “Operation “Y”” aus dem Jahr 1965 mit dem eingeschworenen Antihelden Trio ("Feigling" (Georgy Vitsin), “Trottel" (Yuri Nikulin), und der "Profi" (Yevgeny Morgunov), und dem gutmütigen Schurik.
Schurik spielt in dieser Liebeskomödie einen Ethnologie Studenten, der für sein Studium in den Kaukasus reist um die lokalen “Mythen, Legenden und Trinksprüche” zu erforschen. Eigentlich strikter Nicht-Trinker, muss er nun trinken um an die wortreichen Trinksprüche zu gelangen, für die der Kaukasus berühmt berüchtigt ist. Noch auf dem Weg in die Stadt verliebt er sich in die “fortgeschrittene Studentin, Athletin, Komsomolin und nicht zuletzt: Schönheit” Nina, welche zu Besuch bei ihrem Onkel Dzhabrail ist. Dzhabrail arbeitet als Chauffeur für den einflussreichsten und reichsten Mann in der Stadt: Kamerad Saakhov. Dieser verliebt sich ebenfalls in Nina und kauft sie Dzhabrail -ohne Ninas Wissen- für 20 Schafe und einem Import Kühlschrank aus Finnland ab, um sie zu heiraten.
Da beiden Männern klar ist, dass sie der Hochzeit nicht ohne nachhelfen zustimmen wird, wird ein Plan geschmiedet, bei dem das Trio und der arme Schurik eine entscheidende Rolle spielen. Schurik, welcher sich unsterblich in Nina verliebt hat, wird durch einen Trick dazu gebracht bei ihrer Entführung zu helfen, mit gebrochenem Herzen, aber in der festen Überzeugung, dass sie der Entführung und geplanten Heirat wegen der Tradition aus freien Stücken zugestimmt hat.
Kaum in Gefangenschaft und scheinbar von allen betrogen, arbeitet sie fieberhaft an einem Ausweg…
Mehr möchte ich von diesem Meisterwerk nicht vorwegnehmen. Seht es euch bei YouTube an, hier sind sogar gute deutsche Untertitel verfügbar! Interessant finde ich jedoch, dass Natalya Varley, die Nina spielt, aus über 500 Schauspielerinnen ausgewählt wurde, da die Rolle als schwierig zu besetzen galt. Obwohl Natalya Varley keinerlei Schauspielerfahrung hatte, wählte man sie, da sie als Seiltänzerin die notwendigen physischen Voraussetzungen für den Film mitbrachte.
Dieser Film hat zudem mit einem verliebten Esel, den vielleicht niedlichsten Nebendarsteller. Auch hier gibt es die für Leonid Gaidai so typischen wundervollen Lieder, tolle Kameraführung und Szenen, die dezent Kritik laut werden lassen. Nicht nur in Form des importierten Kühlschranks vom Klassenfeind. Ein Ausruf des “Feiglings”, die für uns heute recht unverfänglich klingt, bringt dies gut auf den Punkt: “Lang lebe das sowjetische Justizsystem, das humanitärste Justizsystem der Welt”. Diese Stelle wurde als zu offensichtlich positiv angesehen, so dass den Zensoren klar war, dass dies unverhohlene Ironie ausdrückte. Der Änderung zu “Lang lebe “unser” Justizsystem, das humanitärste Justizsystem der Welt!”, weiteren Änderungen und schließlich dem persönlichen Einsatz des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Leonid Brezhnev, für die Veröffentlichung des Films, konnten schließlich den drohenden Bann durch die Zensur abwenden und den Film zu einem der meistgesehenen Filme der Sowjetunion aufsteigen lassen.
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