Wie wird das Ukrainisch-Orthodoxe Ostern gefeiert?
Dieses Jahr sind kriegsbedingt unsere Verwandten und Freunde teilweise bei uns im noch sicheren Deutschland, so dass wir in den Genuss kommen das Osterfest zweimal zu feiern, dieses Jahr direkt zwei Wochenenden hintereinander. Ich denke unter den deutschen Familien, die Ukrainer*innen bei sich aufgenommen haben, stellen sich viele die Frage:
“Wie geht ukrainisch-orthodoxes Ostern?”
Wir hatten 2021 das Glück während der Osterzeit die Ukraine bereisen zu können. Abgesehen davon, dass die Landschaften unfassbar Blütenreich und üppig in den Landesfarben der Ukraine erstrahlten (alles gelb von Milliarden Löwenzahnblüten, darüber leuchtend blauer Himmel, der jedem Horizont zum Trotz unerreichbar schien), überraschte mich vor allem die weit verbreiteten Fastenspeisen in der Vorosterzeit. Jedes noch so kleine Restaurant hatte fastentaugliche Speisen im Angebot oder konnte sofort darauf umschwenken. Als Selbstexperiment waren wir zu dem Zeitpunkt vegan unterwegs und kämpften mit einigen Schwierigkeiten diesen Begriff zu vermitteln. Nachdem meinem Falken eingefallen ist, dass das orthodoxe Fasten ja überwiegend ein Verzicht auf tierische Produkte ist, bestellte er immer fastentaugliche Speisen und plötzlich bekamen wir selbst im tiefsten Bukowina, wo noch nie der Begriff “vegan” gehört wurde delikate Menüs aufgetischt, die einmal sogar veganen “Käse” aus Nüssen beinhalteten! Durch dieses Erlebnis wurde mir noch deutlicher bewusst, wie tief verwurzelt die Ukrainer in ihrem orthodoxen Glauben sind und wie weit verbreitet auch der gelebte Glaube, die Bräuche und Traditionen wie die Fastenzeit (zusammengenommen rund 180 Tage im Jahr!) sind.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten beim Ostern feiern westliche Kirchen und östliche Kirchen
In vielen Bereichen ähneln sich die orthodoxen und evangelisch-katholischen Bräuche, stammen doch viele noch aus einer Zeit vor der Christianisierung. So dreht sich auch im orthodoxen Brauchtum alles um Hefegebäck, bunt bemalte, versteckte Eier und Zeit mit der Familie aber eben auch noch mehr um den Glauben (zumindest was ich in meinem überwiegend konfessionslosen, deutschen Umfeld im Vergleich zu meinem ukrainischen Umfeld beobachten konnte).Ein ukrainisch-orthodoxer Gottesdienst beginnt traditionell noch in der Nacht zum Ostersonntag um 23:30 Uhr. Übrigens gibt es in der ukrainisch-orthodoxen (wie auch in der russisch orthodoxen) Kirche keine Sitzplätze, so dass während der gesamten Feierlichkeiten gestanden wird. Der Gottesdienst dauert bis morgens 3:00 Uhr, jedoch kann man während der gesamten Zeit kommen und gehen und sich vorsichtig zwischen den Betenden und den Ikonen bewegen und Kerzen anzünden. Die österliche Begrüßungsformel des Würdenträgers an die Gemeinde lautet: “Christos woskres!” (Christus ist auferstanden!). Die einstimmige Antwort der Gläubigen erfolgt durch ein: “Wo istinu woskres!” (Er ist fürwahr auferstanden!). An Ostern ist es gegenüber gläubigen orthodoxen Ukrainern üblich diese Formel zur Begrüßung dreimal zu wiederholen. Wenn Dich also ein Ukrainer an Ostern (egal welchem Ostern :) mit “Christos woskres!” begrüßt, erfreust Du ihn mit einem ”Wo istinu woskres!”. Dieses hin und her wird traditionell dreimal wiederholt.
Die Gläubigen bringen zumeist Körbe mit den österlichen Speisen (Osterkuchen “Pasca” manchmal auch "Kulitsch", Osterbrot und gefärbte Eier) mit, die während der zeremoniellen Prozession um die Kirche, die den Leidensweg Christus darstellt, gesegnet werden. Weit verbreitet ist der Glaube Wasser segnen zu lassen. Dieses Osterwasser soll daraufhin das ganze Jahr sicher verwahrt werden, bleibt frisch und soll bei zahlreichen Krankheiten helfen. Ein Freund meines Falken hat uns vor einer schwierigen Fahrt in die Ukraine mit solchem heiligen Oster Wasser gesegnet und besprenkelt und wir sind tatsächlich heile aus allen Schwierigkeiten rausgekommen.
Rein Ukrainisch-orthodoxe Gemeinden, die nicht dem Moskauer Patriarchat unterstehen, gibt es in Deutschland meiner Recherche nach wenige. In Köln ist die uns am nächsten gelegene, die dem Kiewer Patriarchat angehörig ist. Der Ostergottesdienst findet dort am Ostersonntag auch familienfreundlich am Vormittag statt, so dass man auch bei weiterer Anreise mit Kindern (und “Pasca” :) nicht auf den Ostergottesdienst in einem ukrainisch-orthodoxen Gotteshaus verzichten muss. (Update: Inzwischen haben sich in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine beide ukrainisch-orthodoxen Kirchen vom Moskauer Patriarchat losgelöst. Dazu habe ich hier einen spannenden Artikel verfasst!)
Der restliche Ostersonntag wird -ähnlich wie in Deutschland- im Kreis der Familie verbracht, wobei es im Gegensatz zum hiesigen Familienverständnis in der Ukraine durchaus üblich ist, das Familienpicknick auf dem Friedhof am Grab der verstorbenen Verwandten abzuhalten. Vermutlich daher finden sich auf vielen orthodoxen Friedhöfen in der Ukraine kleine Bänke und auch Tischchen an den Gräbern. Es ist gute Sitte ein Becherchen oder Tellerchen mit ein paar Happen der gesegneten Ostergaben auf dem Grab zu platzieren. Nachdem sich die Seelen der Verstorbenen an Ostergebäck, Paska, Braten und Eiern gelabt haben und alle Gäste heimgekehrt sind, übernehmen Vögel und Ameisen die Kontrolle über das Buffet. Ihr Ostermal beginnt traditionell in den Abendstunden des Ostersonntags ;).
Übrigens nennt man in unserer ukrainischen Familie die Hauptbestandteile der Osterspeisen (Kalter Braten, “Pasca” und Eier) liebevoll die “Österliche heilige Dreifaltigkeit” und der üppig genossene Horilka (ukrainischer Schnaps) wird euphemistisch als “Osterwässerchen” umschrieben.
Der Ostermontag spielt im ukrainisch-orthodoxen Glauben, soweit ich in Erfahrung bringen konnte, keine oder zumindest keine große Rolle als Feiertag.
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