Ukraine Krieg

Nazis, Neonazis & Faschisten

Bei der ganzen durch Putins Propaganda stattfindenden Geschichtsverdrehung und den vorherrschenden Fake-News in russischen Medien, finde ich es insbesondere im Hinblick auf Putins “Ukraine-Entnazifizierungs-Narrativ” sehr symbolträchtig, dass viele Ukrainer in Deutschland aufgenommen und gut versorgt werden. Die Ukraine hatte im Zweiten Weltkrieg extrem hohe Opfer, Verluste und Zerstörungen (Sewastopol u.a.) durch die Nazis zu beklagen, auf der anderen Seite jedoch einige der bekanntesten Kriegshelden der damaligen Sowjetunion hervorgebracht. Jetzt werden Ukrainer*innen unter dem wahnwitzigen Vorwand der “Entnazifizierung” getötet, gefoltert, vergewaltigt und vertrieben und landen hier in Deutschland im ehemaligen Nazi-Hotspot, während Putins Regime hierzulande durch die Linke und vor allem die Rechte besondere Unterstützung zu erfahren scheint. Währenddessen sind aus der Ukraine auch besonders viele jüdisch-ukrainische Flüchtlinge auf der Flucht vor Putins Krieg. Seit Jahrhunderten spielte die Ukraine als Zentrum der "Ostjüdischen Kultur" eine große Rolle. Auch gab es in den letzten Jahren ein großes Bemühen die jiddische Sprache und die jüdische Kultur zu stärken (s. auch Juden in der Ukraine).


Ukraine Krieg Bilder zweiter Weltkrieg und Panzer

Putins Nazi-Narrativ

Schlimm ist es außerdem, wenn ein Feiertag wie der Sieg über Nazi-Deutschland am 9. Mai dazu missbraucht wird, um die aktuell stattfindende gezielte Zerstörung der zivilen Infrastruktur und Folterung, Vergewaltigung und Tötung von ukrainischen Militärs und Zivilisten medial zu Beschönigen. Es werden durch den russischen Angriff doch auch die Kinder und Enkel der Kameraden getötet, die einst beim Sieg über den Faschismus Seite an Seite kämpften, ungeachtet ihrer Herkunft! Ich denke bei den Kriegshelden des zweiten Weltkriegs z.B. an die weltbekannte Scharfschützin Ljudmila Pawlitschenko (*1916 Bila Zerkwa bei Kiew -1974 Moskau), deren beeindruckende Geschichte und Freundschaft mit Eleanor Roosevelt in dem Kriegsfilm “Red Sniper- Die Todesschützin” verfilmt wurde (2015, Werbung-Affiliate Link: Hier bei Amazon -Prime kannst du den Film während des Probezeitraums kostenfrei anschauen!). Der Film war eine gefeierte Koproduktion zwischen der Ukraine und Russland und hat Zuschauer in beiden Ländern gleichermaßen begeistert! Umso perfider ist die Propaganda-Strategie, alle Ukrainer als Nationalisten und Faschisten darzustellen, die “Ausrottung” aller Ukrainer zu verlangen, den Russen Maulkörbe durch das Verbot des Wortes “Krieg” anzulegen und Pazifisten pauschal als “Verräter” anzuprangern.

Wie kann innerhalb weniger Jahre dafür das Bewusstsein verloren gehen, dass die Großmütter und -väter einst zusammen erfolgreich gegen den Faschismus gekämpft haben! 

Wie sehr unterstützen die Russen den Ukraine Krieg?

Putin bediente sich des Nazi-Narrativs bisher sehr erfolgreich. Noch im März 2022 standen einer  SPIEGEL-Recherche zur Folge stehen rund 80% der Russen hinter Putins “Spezialoperation”, rund 50% der Russen gaben an, “Stolz” als dominierendes Gefühl in Bezug auf die russische Invasion zu empfinden. Nur 14% der Russen positionierten sich klar gegen den Krieg bzw. Putin, rund 6% sahen sich unentschlossen. Wir hatten und haben viel Kontakt zu russisch stämmigen Menschen und bis auf zwei traurige Ausnahmen, die uns tatsächlich zum Kriegsbeginn im Februar 2022 wortgewaltig zur "Entnazifizierung der Ukraine" gratuliert haben, waren die anderen genauso entsetzt und hilflos wie wir. Es häufen sich Berichte, dass aufgeklärte Russen wegen der Repressionen scharenweise Russland verlassen. Mittlerweile, vor allem seit Beginn der Teilmobilisierung am 21. September 2022 bröckelt die Unterstützung für Putin in der russischen Bevölkerung. Ich befürworte jeglichen Protest gegen das Putinregime, allerdings wäre mir insgesamt wohler, wenn sich die Proteste der Bevölkerung gegen die russischen Politiker, die russischen Medien und den Angriffskrieg selbst richten würden. Statt dessen gilt der Protest und ein großer Teil der russischen Flüchtlingsbewegung von Kriegsdienstverweigerern vor allem den nicht-bezahlten Löhnen der frisch Rekrutierten, der schlechten Ausstattung, den fehlenden Waffen, den alten Armeefahrzeugen, dem schlechten Training und der mangelhaften Verpflegung der russischen Truppen. Dies bedeutet für mich im Umkehrschluss, dass diese "Protestler" nichts gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg einzuwenden hätten, wenn ihnen der russische Sieg durch eine bessere Ausstattung und Training gewiss wären.

Ethnische Säuberung im Ukraine-Krieg

Einige munkeln im Zusammenhang mit der Einberufungstaktik Moskaus von einer ethnischen Säuberung. Auffallend häufig werden die Einberufungen fernab von Moskaus und St. Petersburgs Eliten durchgeführt. So sollen Proteste durch die Zivilbevölkerung vermieden werden, da es überwiegend nicht-russische Minderheiten trifft, die als Kanonenfutter bei schlechter Ausrüstung, zweifelhafter Eignung und mangelhafter Vorbereitung an die Front geschickt werden. "Es häufen sich Berichte darüber, dass in den Republiken Burjatien, Tuwa, Dagestan, Kalmückien, Tatarstan, Altai oder Jakutien sämtliche Männer Einberufungsbefehle erhalten haben sollen." (taz, 26.09.2022) So werde bei der Einberufung weder auf das Alter der Männer, noch auf die gesundheitliche Eignung geachtet. Bei der Todesstatistik der gefallenen russisch-stämmigen Soldaten zeigt sich das eindeutig: Auf "einen gefallenen Moskauer kommen 87,5 Dagestaner, 275 Burjaten und 350 Tuviner"(taz, 26.09.2022) . Auch bei der Mobilisierung auf der durch Russland annektierten Krim, zeigt sich dieses Vorgehen. Von 5000 mobilisierten Zivilisten seien rund 80 Prozent der Bevölkerungsminderheit der Krimtartaren zuzuordnen (ebd.). Russland scheint also beim Kampf gegen den "Neofaschismus in der Ukraine" selbst das Leben ethnischer Minderheiten geringer zu schätzen, als das Leben der ethnisch-russischen Bevölkerung. Auch zeigen sich bezüglich der Klassen deutliche Unterschiede, da viele Einberufene aus sehr armen Gebieten kommen. Ein noch größerer Hohn, dass Putins Regime dann ausgerechnet den Menschen den versprochenen Soldaten-Lohn verweigert, die mit ihren Angehörigen am meisten darauf angewiesen wären. 

Russen fliehen nach Georgien

Georgien ist wegen der erleichterten Einreisebestimmungen ein bevorzugtes Ziel der Russen. Im Gegensatz zu vielen Ländern, die die Einreise von Russen deutlich erschwert haben, bekommen Russen in Visa ohne Probleme ein einjähriges Visa. Obwohl unter den fliehenden Russen auch einige Oppositionelle sind, die in ihrer Heimat bereits nach Kräften gegen den Krieg mobilisiert und informiert haben, stehen die Georgier den einwandernden Russen insgesamt ablehnend gegenüber. Vermieter wollen nicht an Russen vermieten und viele Georgier regen sich über junge Russen auf, die sich "wie im Urlaub" benehmen, offensichtlich Geld haben und den Krieg und die Verantwortung im Ausland aussitzen, statt zu Hause ihre Stimme gegen Putin zu erheben. Nach dem Georgien Krieg 2008 sind immer noch Teile Georgiens durch Pro-Russische Separatisten besetzt und die meisten Georgier befürchten ein Szenario wie nun in der Ukraine. Hinzu kommt, dass vor allem seit der Verkündung der Teilmobilisierung durch Putin am 21. September mittlerweile rund 250.000 russische Flüchtlinge, zumeist Männer, die Grenze nach Georgien überquert haben. Dadurch sind die Preise in kürzester Zeit um rund 40 Prozent in die Höhe geschossen, vor allem Mieten, Energie und Lebensmittel sind seitdem für viele Georgier unerschwinglich. 

zerstörtes ukrainisches Haus im Ukraine Krieg

Nur soll sich bitte niemand in Russland von den daheimgebliebenen (nach der hoffentlich erfolgenden, vernichtenden Niederlage des russischen Militärs) des anderen Weltkriegs-Narrativs berufen. Dem, “Wir haben von Nichts gewusst!”- Narrativ der Mitläufer und Ignoranten! Was damals schon unglaubwürdig erschien, ist im 21. Jahrhundert, im digitalen Zeitalter, in dem Informationen omnipräsent und überall verfügbar sind und die Ukrainer, westliche Länder und auch einige mutige Russen verifizierte Nachrichten rund um die Uhr online stellen, einfach unmöglich nachzuvollziehen. Es kann beim besten Willen kein Russe hinterher behaupten: “Wir haben von Nichts gewusst”. 80% der Russen stehen hinter Putins “Spezialoperation”. Ich kann nur hoffen und beten, dass die 14% der Russen, die sich klar gegen den Krieg bzw. Putin positionieren, die übrigen Russen aufwecken und von ihrer Mittäterschaft abbringen! Mir tut es in der Seele weh, wie in einer absurden Reality-Show live zu verfolgen, wie zwei Brüder-Völker durch Massen-Manipulation der russischen Medien für Jahrzehnte, wenn nicht über Generationen hinweg zu Feinden werden. 

Ein für mich herausragendes Beispiel für innerrussischen Protest ist die russische Journalistin Marina Owsjannikowa. Sie selbst hat vor dem Hintergrund des Tschetschenienkriegs als Kind eine Flucht miterleben müssen. Trotz jahrelanger Arbeit als “gut funktionierendes Rädchen der russischen Propagandamaschine” als Journalistin beim Kreml-treuen Sender “Perwy kanal” (erster Kanal) sei beim russischen Angriff auf die Ukraine bei ihr endlich der Punkt erreicht gewesen, an dem sie sich vor lauter Scham, so lange Teil dieses Lügensystems gewesen zu sein, aufraffte und beschloss in einer Live-Sendung zu protestieren. Die Bilder von ihr, wie sie ein Plakat mit den Worten “NOWAR - Остановите войну -  не верьте пропаганде - здесь вам врут - RUSSIANS AGAINST WAR” („Kein Krieg - Beenden Sie den Krieg - Glauben Sie der Propaganda nicht - Hier werden Sie belogen - Russen gegen den Krieg“) hochhielt, gingen um die ganze Welt. Sie ist für mich das Beispiel von einer Person, die persönlich und wider besseren Wissens zum Bestehen und Wachsen des System Putins beigetragen hat. Dennoch hat sie angesichts der Ungeheuerlichkeit dieses Krieges den Mut geschöpft alle Sicherheiten, Vorteile und Annehmlichkeiten, die ihre Arbeit ihr, als alleinerziehende Mutter, gegeben hat aufzugeben. Gerade vor dem Hintergrund der verschärften Strafen (neues Mediengesetz- bis zu 15 Jahre Haft), Blockierung ausländischer Medieninhalte und dem Wissen um in der Vergangenheit getötete kritische Journalist*innen (Anna Politkowskaja 2006, Anastassija Baburowa 2009) und des beinahe getöteten, mittlerweile inhaftierten Kreml-Kritikers Alexei Nawalny, finde ich ihren Protest bemerkenswert.

Ihre Aktion scheint zu rufen: ”Seht her, wenn ich, bisher Teil des Systems mich gegen die Propaganda stellen kann, dann könnt ihr das auch!” 

-UPDATE: Ungeachtet möglicher Repressionen hat sich Marina Owsjannikowa erneut mit einer Protestaktion gegen das russische Regime gestellt (Juli 2022). Mit Plakaten auf denen "Putin ist ein Mörder", stand und "Seine Soldaten sind Faschisten.", sowie "Wie viele Kinder müssen noch sterben, bis ihr aufhört?" stand sie wohl in Sichtweite des Kremls in Moskau auf der Straße. Owsjannikowa wurde daraufhin von der Moskauer Polizei verhaftet. Seit dem Vorkommnis im Juli stand sie unter Hausarrest und durfte keine Kommunikationsmittel verwenden. Ihr drohte eine Anklage wegen "Verbreitung von Falschinformationen" über die russische Armee auf die bis zu 10 Jahre Haft stehen. Ende Oktober 2022 schaffte sie auf bisher unbekanntem Weg die gemeinsame Flucht aus Russland mit ihrer Tochter. 

Flaggen Russland und der UkraineWeiterführende Links zum SPIEGEL, ZEIT und mdr:

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